Trotz teils eisigem Schnee und Frost bleiben unsere heimischen Bäume cool. Sie sind „winterfest“. Wenn da der Spätfrost nicht wäre
Ein paar Frosttage und -nächte hat dieser Winter insbesondere in den Thüringer Mittelgebirgslagen schon geboten und weitere werden wohl folgen. Müssen wir uns bei frostigen Wintertemperaturen Sorgen um unsere sowieso schon arg gebeutelten heimischen Wälder machen? Mitnichten, die heimischen Baumarten sind an die gegenwärtigen Witterungsbedingungen abgepasst.
Der häufigste heimische Nadelbaum, die Fichte, verfügt als typischer Baum der nördlichen, kalten bis extrem kalten Breitengrade über ein an derartige Minustemperaturen angepasstes Nadelkleid. Auch der häufigste heimische Laubbaum, die Buche, kann dem Frost weitgehend trotzen, da sie eine sommergrüne Gehölzpflanze ist und über die Wintermonate ihr Blätterkleid abwirft. Am wichtigsten aber: Im Winter reduzieren Nadel- und Laubbäume ihren Wasserhaushalt auf ein Minimum. Und wenn nur wenig Wasser im Baum ist, kann auch kaum etwas gefrieren.
Schon im Herbst machen sich die Laubbäume „winterfest“
„Waldbäume sind nicht so empfindlich, weil sie pfiffige Überlebensstrategien entwickelt haben. Ein Energiesparmodus schützt sie vor dem Erfrierungstod“, so Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand. Bevor Laubbäume wie Buche, Linde oder Eiche im Herbst die Blätter fallen lassen, bereiten sie sich auf den Winter vor. Sie ziehen rechtzeitig Nährstoffe aus den Blättern ab, verlagern diese in den Baum selbst und reichern sie in den Zellen an. Diese Zucker- und Eiweißverbindungen lösen sich im Zellsaft und senken den Gefrierpunkt der Zelle bis rund -20 Grad Celsius, sodass sie nicht in der Kälte aufplatzen.
Ein Laubbaum schützt sich vor dem Erfrieren folglich ähnlich, wie bei einem wassergekühlten Automotor. Über den Kühlkreislauf erhält dieser Frostschutzmittel, damit das Kühlerwasser nicht gefriert und das Motorgehäuse nicht platzen lässt. Mit dem Laubfall im Herbst schützen die abgefallenen Blätter am Boden das oberflächennahe Feinwurzelwerk des Baumes wie eine wärmende Decke. Nadelbäume haben es hier etwas leichter: Die im Vergleich zum Laubblatt extrem geringen Oberflächen der Nadeln bieten schon physikalisch einen guten Schutz gegen Kälte und Frost. Zusätzlich besitzen die Nadeln in eine ganzjährig schützende Wachsschicht eingebettete kleine Spaltöffnungen, die auch ein Austrockenen des Baumes im Winter verhindern. Der Baum schafft sich gleichsam ein Wasserreservoir.
Einzig die Lärche, ursprünglich ein Hochgebirgsbaum, wirft ihre Nadeln ab, um sich winterfest zu machen. Ihren weichen Nadeln fehlt eine ausreichend dicke Wachsschicht. Manche Nadel- und Laubbaumarten schützen Stamm und Äste zudem mit einer dicken Borke. Lufteinschlüsse in der Borke sorgen ähnlich einer Daunenjacke für eine effektive Wärmedämmung. Knospen, oft schon im Winter ausgebildet, werden mit einer Wachsschicht und dicken Knospenschuppen wirksam isoliert und zusätzlich durch Zuckereinlagerungen frosthart gemacht. Dieser hohe Zuckergehalt ist die Ursache dafür, weshalb Rehe und andere Wildtiere insbesondere Knospen gerne verbeißen.
Gegen Früh- und Spätfröste sind einige Baumarten anfällig
Frostschäden treten allerdings besonders außerhalb der klassischen Winterzeit auf: Nämlich im Herbst (Frühfrostschäden) und insbesondere im Frühjahr (Spätfrostschäden). Im Frühjahr gerne nach Austrieb der Blüten und Blätter, was zusätzlich zum Ausfall des Saatgutes führen kann.
Verstärkt auftretende Spätfrostschäden, zuletzt in Thüringen im Mai 2020 umfangreich geschehen, scheinen eine Folge des Klimawandels zu sein: In den Klimaszenarien der Klimaforscher steigen die Frühjahrstemperaturen und die Vegetationsperiode wird immer länger – zugleich bleiben kurzfristige Kälteeinbrüche im Frühjahr nicht aus. Schlechte Aussichten für winterfeste, aber spätfrostempfindliche Baumarten wie etwa die Weißtanne oder die Buche.