Allgemeinverfügung der Landesforstanstalt zur Bekämpfung von holz- und rindenbrütenden Schaderregern im Privatwald
In o. g. Angelegenheit erlässt ThüringenForst – Anstalt öffentlichen Rechts, vertreten durch das Thüringer Forstamt Neustadt folgende
Allgemeinverfügung
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Diese Allgemeinverfügung ist an alle Waldbesitzer der in der Anlage 1 aufgelisteten Waldflächen gerichtet.
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Der auf dem in Nr. 1 genannten Gebiet befindliche Befallsherd des Ips typographus (Buchdrucker oder auch Großer achtzähniger Fichtenborkenkäfer) ist zu beseitigen. Gleiches gilt für sonstiges bruttaugliches Material z.B. Kronenreste.
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Zudem sollen Dürrständer, die eine Gefahr für umliegende Waldbestände, angrenzende Infrastruktur und Flächen des Offenlandes darstellen, beräumt werden.
Insbesondere durch:
3.1 Aufarbeitung der befallenen Bäume und Abtransport aus dem Wald vor dem Ausflug der Käfer
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Diese Allgemeinverfügung gilt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Stadt Neustadt an der Orla als bekanntgegeben.
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Die sofortige Vollziehung der Allgemeinverfügung wird angeordnet.
Gründe
I.
Auf den in Anlage 1 aufgeführten Waldflächen wurde eine Gefahr drohende Übervermehrung des Ips typographus (Buchdrucker oder auch Großer achtzähniger Fichtenborkenkäfer) sowie etwaiger Dürrständer festgestellt. Die Befallsmenge beläuft sich auf insgesamt ca. 850 fm.
II.
Thüringenforst – Anstalt öffentlichen Rechts, vertreten durch das Thüringer Forstamt Neustadt, ist gemäß den §§ 11, 59, 62 f. Thüringer Waldgesetz (ThürWaldG) in Verbindung mit § 1 Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz (ThürVwVfG) sowie § 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in gegenständlicher Sache zuständig.
Eine vorherige Anhörung wird gemäß § 1 ThürVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nicht durchgeführt. Demnach kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere bei Erlass einer Allgemeinverfügung, nicht geboten ist. Die Entscheidung über eine Anhörung steht somit im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Von einer Anhörung konnte im konkreten Fall abgesehen werden, da in Anbetracht der Gefahren für die Wälder in den genannten Gebieten durch eine Massenvermehrung von Forstschädlingen eine vorherige Anhörung aller Adressaten bezogen auf Zeit und Zweck der Regelung nicht durchführbar ist, um eine schnelle Erfassung und Bekämpfung von Befallsherden zu gewährleisten. Eine Anhörung kann auch gemäß § 11 Abs. 5 Satz 2 ThürWaldG unterbleiben.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 ThürWaldG sind Waldbesitzer verpflichtet, den Wald gegen Gefahr drohende Übervermehrung von Forstökosysteme schädigende Tiere nach besten Kräften zu schützen und vor Schäden zu bewahren.
Auf den in Anlage 1 genannten Waldgrundstücken wurde ein erheblicher Befall des aufstockenden Bestandes durch den Buchdrucker festgestellt. Der Buchdrucker ist in unseren gemäßigten Breiten der gefährlichste Borkenkäfer und Forstschädling. Er ist ein zur Massenvermehrung neigendes Insekt, das Forstökosysteme schädigt, indem er sich in die Rinde bohrt, um seine Larven abzusetzen. Die Larven des Buchdruckers zerstören das lebenswichtige Bastgewebe des befallenen Baumes, was innerhalb kurzer Zeit zu dessen Absterben führen kann, wenn er nicht frühzeitig bekämpft wird. Unter den jetzt vorherrschenden günstigen Bedingungen vermehren sie sich sprunghaft, und die exponentiell anwachsende Population kann Waldbestände flächig zum Absterben bringen. Bei einer Massenvermehrung kann die Population allein durch natürliche Feinde nicht nennenswert verringert werden. Dies macht ein menschliches Eingreifen erforderlich, um die Ausbreitung auf ein Minimum zu reduzieren und den Bestand, mithin das Ökosystem Wald, zu erhalten. Letztendlich dient die Bekämpfung auch der Minimierung der wirtschaftlichen Schäden von Waldbesitzern, die bereits betroffen sind oder bei Nichteinschreiten dann Betroffene werden. Hierfür steht von vornherein nur ein kurzes Zeitfenster zum Handeln zur Verfügung, an das sich je nach Stadium des Bekanntwerdens die Fristsetzung zur Umsetzung der angeordneten Maßnahme zu orientieren hat.
Um die Gefahr weiterer Schädigung von Rechtsgütern abzuwenden, ist nun der Erlass dieser Anordnung geboten, da gefahrabwehrende Handlungen der Waldbesitzer bisher nicht vollzogen wurden. Die Anordnung nach Ziffer 2 beruht auf § 11 Abs. 3 ThürWaldG. Danach kann die untere Forstbehörde die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen treffen, um Gefahren abzuwenden, die dem Wald insbesondere durch Forstökosysteme schädigende Tiere drohen. Die Anordnung ist erforderlich, um – notfalls mit Verwaltungszwangsmaßnahmen – das Interesse an der Erhaltung des Waldes und Sicherung der Forstwirtschaft nach den Vorschriften des ThürWaldG zum Wohle der Allgemeinheit durchzusetzen.
Die Aufarbeitung der befallenen Bäume und Abtransport aus dem Wald vor dem Ausflug der Käfer ist geeignet und erforderlich, da so eine weitere Verbreitung des Käferbefalls und eine Massenvermehrung verhindert werden kann. Die Entrindung und Entseuchung der Rinde in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand der Käferbrut ist als Alternative geeignet, da durch die Entrindung den Nadelholzborkenkäfern die Brutmöglichkeit entzogen wird. Auch die Entfernung von weiterem bruttauglichem Material, wie zum Beispiel Kronenreste, etc. verfolgt den gleichen Zweck und dient damit der Verhinderung der Massenvermehrung der Forstschädlinge.
Die Bekanntgabe wird gemäß § 1 Abs. 1 ThürVwVfG i.V.m. § 41 Abs. 4 Sätze 3 und 4 VwVfG auf den auf die Bekanntmachung folgenden Tag bestimmt.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß Ziffer 4 des Tenors stützt sich auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und dient einer rechtzeitigen und effektiven Schädlingsbekämpfung. Sie ist anzuordnen, wenn das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung (Vollzugsinteresse) Ihr Interesse an der Aussetzung der Vollziehung (Suspensivinteresse) überwiegt. Das öffentliche Interesse an der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes durch Bekämpfung einer gefahrdrohenden Übervermehrung von Forstschadinsekten sowie Vorbeugung derer weitere Verbreitung wiegt vorliegend höher als das Abwarten bis zur Unanfechtbarkeit dieser Anordnung. Anderenfalls droht die Gefahrenlage zu einem Ausmaß zu eskalieren, das nur mit erhöhtem Aufwand zu kontrollieren ist und schwerwiegende Nachteile für Rechtsgüter Dritter nach sich zieht. Da die befallenen Bäume ohnehin eine Entwertung durch den Käferbefall erfahren, ist eine Entnahme im öffentlichen Interesse zumutbar und stellt durch Erhalt der Nutzungsmöglichkeiten der anfallenden Holzsortimente keine übermäßige Belastung dar.
III.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei ThüringenForst – Anstalt öffentlichen Rechts, Thüringer Forstamt Neustadt, schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen.
IV.
Hinweise
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Gemäß § 1 Abs. 1 ThürVwVfG i.V.m. 41 Abs. 4 S. 1 VwVfG ist nur der verfügende Teil dieser Allgemeinverfügung öffentlich bekannt zu machen. Die Allgemeinverfügung liegt mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung im Thüringer Forstamt Neustadt aus. Sie kann während der allgemeinen Dienstzeiten eingesehen werden.
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Wird die angeordnete Bekämpfung des Käferbefalls nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt, kann die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderliche Maßnahme zwangsweise durchsetzen. Sie kann die notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen dann auf Kosten des Waldbesitzers durchführen lassen. Zudem ist die zuständige Behörde gemäß § 54 Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (ThürVwZVG) berechtigt, Ersatzvornahmen ohne gesonderte vorherige Androhung vorzunehmen, wenn Gefahr im Verzug gegeben ist. Das eingeschlagene Holz verbleibt dann im Eigentum des Waldbesitzers und wird branchenüblich gelagert.
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Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entfällt die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen.
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Die Bekanntgabe dieser Allgemeinverfügung erfolgt außerdem auf der Webseite der Landesforstanstalt unter www.thueringenforst.de/aktuelles-medien/bekanntmachungen/oeffentliche-bekanntmachungen/.
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Für Fragen stehen als Ansprechpartner die Mitarbeiter des Thüringer Forstamtes Neustadt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
Sören Sterzik
Forstamtsleiter